Immer mehr Kirchen schließen, oft gegen den Willen ihrer Gemeinden. Doch was passiert mit den Menschen, die diese Orte geprägt haben? Wie können wir die leeren Gotteshäuser stattdessen nutzen?Ihre Kirche wird abgerissen - für Renate ist das, als verliere sie ihr Zuhause. In Krefeld protestiert Jan vor seiner verschlossenen Kirche.
In Thüringen bringt die Rettung einer Kirche ein
Dorf zusammen. Und im Harz ersteigern
Artisten ein Gotteshaus. Geht das gut?Seine Vorgänger haben Kirchen gebaut - Nils Petrat soll sie aufgeben. Gerade im Ruhrgebiet angekommen, muss der junge Pfarrer drei Gotteshäuser schließen. Nils macht sich Sorgen um die Zukunft der Kirche in
Deutschland: Wird sie immer mehr verschwinden? Aus den Köpfen, aus den Städten? Für Menschen wie Renate Ohm-Samol aus seiner Gemeinde ist es, als verliere sie ein Stück ihrer eigenen Geschichte. Ein Ort, an dem sie getrauert, gefeiert und gelebt hat, verschwindet für immer.In Krefeld dagegen will eine Gemeinde die Schließung ihrer Kirche nicht akzeptieren. Vor den verriegelten Kirchentüren errichten die Gläubigen, unter ihnen der 24-jährige Jan Lange, ein großes Zelt. Ihre Botschaft: „Wir bleiben“. Seit fast zwei Jahren harren sie dort nun schon aus, trotzen Wind und Wetter, feiern ihre Gottesdienste und kümmern sich um Bedürftige.In einem kleinen Ort in Thüringen stemmen sich sogar Atheisten gegen einen Abriss, weil sie finden: Ein Dorf ohne Kirche verliert seine Seele. Anne und Marc-Manuel Moritz hatten nie etwas mit Religion am Hut. Doch sie gründen einen Verein, um das Gotteshaus zu retten: Immer mehr Bewohner schließen sich an, plötzlich ist die Kirche wieder voller Menschen. Und das, obwohl die meisten Vereinsmitglieder nicht gläubig sind.Und was, wenn eine Kirche unter den Hammer gerät? Im Harz haben die jungen Artisten Kat und Kiljan ein Gotteshaus ersteigert. Ihr erstes richtiges Zuhause, nachdem sie die vergangenen Jahre mit dem Wohnmobil durch die Welt gereist sind. Nun haben sie eine neue Vision: eine alte Kirche in einen Ort für Akrobatik und Kultur zu verwandeln.Dr. Karin Berkemann, Theologin, Kunsthistorikerin und Expertin für Denkmalpflege, betrachtet die Kirchen als Gemeingut: „Kirchengebäude gehören nicht der Kirche allein, sondern denen, die sie seit Jahrhunderten gebaut und gestaltet haben, die sie nutzen oder brauchen könnten. Sie gehören allen. Die Zukunft dieser Gebäude geht uns alle an.“Felix Hemmers, Innenarchitekt und Kurator bei „Baukultur Nordrhein-Westfalen“, sammelt verschiedene Beispiele von Umnutzungen. Für ihn sind Kirchen die emotionalsten aller Gebäudeformen: „Der Erste Ort ist das Zuhause. Der Zweite Ort ist die Arbeitsstätte. Auf dem Weg zwischen diesen beiden Orten gibt es Dritte Orte, an denen man sich trifft: Kneipen, Schwimmbäder, Parks. Kirchen gehen noch einen Schritt weiter. Sie haben eine Emotionalität, eine besondere Identifikationsfunktion, eine Spiritualität. Sie sind Vierte Orte für unsere Gesellschaft.“Mitgliederschwund und Geldmangel zwingen die beiden großen Kirchen dazu, Gotteshäuser aufzugeben. In einem Positionspapier der evangelischen Landeskirchen und katholischen Bistümer heißt es, dass die Kirchen bis 2060 rund 40.000 Immobilien verlieren werden, vor allem Pfarr- und Gemeindehäuser, aber auch zunehmend sakrale Gebäude („Kirchliche Baudenkmale - Kulturelles Erbe auf einem steinigen Weg in die Zukunft“, 2023).Bei insgesamt 650 katholischen Kirchen ist bundesweit die liturgische Nutzung beendet worden (Stand 2023). Bei der Evangelischen Kirche in Deutschland ist laut einem EKD-Sprecher davon auszugehen, dass in den vergangenen Jahren im Schnitt 20 bis 30 Kirchen jährlich bundesweit geschlossen oder entwidmet wurden.Die Dokumentation „Kirche zu - was jetzt?“ ist ab Montag, 21. April 2025, 8.00 Uhr, in der ZDFmediathek verfügbar.