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Libuse Jarcovjáková, die „tschechische Nan Goldin“, wie sie heute gerne genannt wird, dokumentierte ihr Leben mit analogen Fotografien und Tagebuchaufzeichnungen: Nach der gewaltsamen Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 befindet sich die Tschechoslowakei in der repressiven Phase der „Normalisierung“. Die junge Fotografin begibt sich in ihrer Heimatstadt Prag auf die Suche nach Oasen der Freiheit - und nach ihrer sexuellen Identität, später führt ihr Weg sie nach
Berlin und Japan; ihre Kamera hat sie immer dabei. Dieser Weg zur heute international anerkannten Fotografin war von Anfang an auch ein Weg der Selbstfindung.
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Libuse Jarcovjákovás Fotografien sind nicht nur Zeugen verschiedener kultureller und politischer Kontexte, sondern dokumentieren auch ihre andauernde Selbstsuche. Mit der Zerschlagung des Prager Frühlings 1968 beginnt die damals 16-Jährige zu fotografieren, recht schnell entwickelt sie eine Schnappschuss-Ästhetik, die ihren eigenen Stil charakterisiert und Menschen vom Rand der Gesellschaft in den Fokus rückt: queere Menschen, Migranten, unangepasste Frauen, Dissidenten. Und ohne jede Eitelkeit richtet sie ihre Kamera immer wieder unermüdlich auf sich selbst, heute würde man diese Fotos Selfies nennen.
Jarcovjáková fotografiert Arbeiter und Arbeiterinnen in der Fabrik, Feiernde in Kneipen, Privaträumen und auch Nacht
clubs, wie dem T-Club in Prag, ein Treffpunkt der lokalen queeren Szene. Ein Mord in ihrem Umfeld verändert alles: Sie selbst gerät ins Visier der Staatssicherheit, die sich für ihre Fotos aus dem Club interessiert. Jarcovjáková täuscht eine Heirat vor und emigriert nach West-Berlin.
Doch auch in der neuen Welt läuft nicht alles glatt. Mit ihrem letzten Geld flieht sie nach Tokio, wo ihr der Durchbruch als Modefotografin gelingt und sie für kurze Zeit sehr gefragt ist. Auf der ständigen Suche nach einem Leben, das wirklich zu ihr passt, kehrt die Fotografin nach dem Fall des Eisernen Vorhangs über Berlin nach Prag zurück.
Die Regisseurin Klára Tasovská hat während der Covid-19-Pandemie Libuses Fotoarchiv durchforstet und unzählige Tagebuchseiten entdeckt, die die Grundlage für ihren Dokumentarfilm bilden. Der Film ist eine Montage aus unzähligen, teilweise rhythmisch arrangierten Fotos, zum Großteil in Schwarz-Weiß. Zusätzliches Filmmaterial wurde nicht gedreht. Die Tagebuchaufzeichnungen, die Jarcovjákovás jahrzehntelange Erforschung von Beziehungen, Gefühlen, Körper und Seele festhalten, bildeten die Grundlage für die chronologische filmische Erzählung aus ihrer eigenen Perspektive, wobei sie ihre Tagebuchaufzeichnungen selbst vorliest.
Entstanden ist ein sensibler, sehr persönlicher Film über Identitätssuche, feministische Anliegen und die Kraft des Widerstands mit den Mitteln der Fotografie.
Hinweis
„Noch bin ich nicht, wer ich sein möchte“ feierte seine Weltpremiere 2024 auf der Berlinale in der Panorama-Sektion und wurde daraufhin auf zahlreichen weiteren
Festivals programmiert, wie in Kopenhagen bei CPH:Dox und auf dem DOK.fest München. Er erhielt mehrere Preise, wie den „Special Jury Prize“ beim Torino Film Festival und eine „Special Mention“ beim NewFest - New York LGBTQ+ Film Festival.
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