Elvira (87) lebt seit über zehn Jahren mit Demenz im Pflegewohnheim und gehört seit vielen Jahren fest zum Theaterensemble "Papillons". Auch wenn sie vieles vergessen hat - Jodeln kann sie bis heute.
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Elvira (87) lebt seit über zehn Jahren mit Demenz im Pflegewohnheim und gehört seit vielen Jahren fest zum Theaterensemble "Papillons". Auch wenn sie vieles vergessen hat - Jodeln kann sie bis heute.

Vor ihrem großen Auftritt muss Elvira (87, r.) noch schnell in die Maske. Die alten Menschen müssen immer wieder von neuem daran erinnert werden, dass sie Theater spielen.

Demenzkranke und Grundschulkinder spielen im Berliner Pflegeheim "Am Kreuzberg" zusammen Theater. Maris (l.) ist schon zum zweiten Mal dabei und hilft der demenzkranken Beate (r.) bei den Vorbereitungen zur Generalprobe.

Im aktuellen Stück der "Papillons" wird ein Fest für die Toten gefeiert - ein Plädoyer dafür, dass der Tod zum Leben dazu gehört.

Maris steht schon zum zweiten Mal mit dem Theaterensemble "Papillons" auf der Bühne und findet das Schauspielen mit den alten und vergesslichen Menschen ganz besonders.

Maris Mutter Natascha (45, l.) macht es traurig, wie sehr alte Menschen in unserer Gesellschaft ausgegrenzt werden. Sie wünscht sich einen offenen Umgang mit dem Tod und freut sich, dass ihr Sohn Maris durch das Theaterspiel einen eigenen Zugang dazu findet.

"Totenwache" heißt das aktuelle Stück der "Papillons", das sich um Rituale rund um den Tod dreht. Dafür spielen die professionellen Schauspieler Michael (80, 2.v.r.) und Til (29, r.) die Totengräber.

Maris (8) vermisst seine Spielpartnerin Fatima aus dem letzten Jahr, die kurz nach den Aufführungen verstorben ist. Für ihn lebt sie als Schutzengel weiter.

Im Theaterensemble "Papillons" funktionieren die Kinder wie Tandempartner für alte Menschen. Wenn diese einmal ihren Einsatz vergessen, sind es die Kinder, die ihnen helfen, sich zu erinnern.

Fast 80 Jahre liegen zwischen Beate (87, l.) und Maris (8, r.). - Im Pflegewohnheim "Am Kreuzberg" spielen Kinder und alte Menschen zusammen Theater.

Erste Probe im Kostüm: Beate (87, M.) leitete in den 90er-Jahren mehrere Modegeschäfte. Sie ist das neueste Mitglied des Theaterensembles und findet an schillernden Kleidern immer noch großen Gefallen.

Die Anspannung kurz vor der Premiere ist groß: Die Arbeit mit den alten und jungen Laien-Darstellern, Sommerhitze und Krankheitsausfälle im Ensemble stellen Regisseurin Christine Vogt (M.) und Regie-Assistentin Anne Goldmann (l.)vor Herausforderungen.

Zwischen Vater Ekkehard (3.v.l.) und Sohn Oliver (2.v.r.) war das Verhältnis lange Zeit schwierig. Seit Oliver seinen Vater nach Berlin geholt hat, ist eine emotionale Bindung entstanden. Durch das Theaterspiel seines Vaters entdeckt Oliver ganz neue Seiten an ihm.

Die Beziehung zu seiner Mutter Beate (87, l.) war für Markus (65, r.) von Konflikten geprägt. Durch die Demenz seiner Mutter ist für ihn ein neues Annähern möglich. Er freut sich, dass sie mit den "Papillons" im Rampenlicht stehen kann.

"Wenn alte Menschen das Gefühl haben, nicht mehr gebraucht zu werden, hat das fatale Auswirkungen", sagt Regisseurin Christine Vogt (2.v.l.). Mit ihrem Ensemble "Papillons" schafft sie eine Bühne für Menschen mit Demenz und für Pflegeheimbewohner. Sie schlägt damit eine Brücke in die Gesellschaft.
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Elvira ist 87 und hat Demenz. Ihre Töchter erkennt sie kaum mehr - spielt aber im Pflegeheim Theater. Wie führt man ein Stück auf, wenn bei den Beteiligten die Erinnerung verblasst?
Texte werden nicht gelernt. Die Lebenserinnerungen der Demenzkranken sind das Skript der Regisseurin. Auf der
Bühne stehen die Seniorinnen und Senioren zusammen mit Kindern und Jugendlichen. Die helfen Erinnerungen abzurufen und geben beim Auftritt Sicherheit.
Das Theaterprojekt „Papillons“ soll mehr sein als Beschäftigungstherapie: Regisseurin Christine Vogt will das Leben ihrer betagten Mitwirkenden in den Fokus rücken und Brücken zwischen den Generationen schlagen. In Deutschland leben circa 1,8 Millionen Menschen mit einer Demenzdiagnose. Im öffentlichen Leben kommen sie jedoch kaum vor. Ihre Stimmen, Erfahrungen und Perspektiven fehlen. Das Theaterprojekt möchte das ändern.
Eine erfahrene Mitspielerin ist die 87-jährige Elvira Werthmüller. Auch wenn die gelernte Schneiderin das meiste aus ihrer Vergangenheit vergessen hat - auf ihre Leidenschaft, das Jodeln, kann sie noch zurückgreifen. Anfangs fiel es den Töchtern schwer, ihre Mutter aus der hessischen Heimat ins Pflegewohnheim nach
Berlin zu holen. Doch Elvira fand im Kiez schnell Anschluss und mit dem Theater einen Höhepunkt im eher eintönigen Heimalltag. Auf der Bühne blüht sie auf. Tochter Tanja kann durch das Projekt noch einmal an den Lebenserinnerungen ihrer Mutter teilhaben. Zugleich werden neue Erinnerungen geschaffen, die für die Tochter ein wertvoller Schatz sind. Tanja glaubt, dass ihre demente Mutter in diesem Jahr das letzte Mal mit den „Papillons“ auf der Bühne steht: „Sie verschwindet immer mehr.“
Der demenzkranke Ekkehard Walkenhorst lebt ebenfalls im Pflegewohnheim „Am Kreuzberg“. Früher arbeitete er in Baden-Württemberg als Apotheker. Das Verhältnis zwischen seinem Sohn Oliver und ihm war eher kühl. Seit Oliver seinen Vater nach Berlin geholt hat, nähern sich die beiden Männer wieder an. Dass sein Vater Theater spielen würde, wäre früher undenkbar gewesen, erzählt der Sohn. „Mit den ‘Papillons‘ spürt er ein Interesse an seiner Person, was ihm sonst nicht mehr oft zuteil wird, weil die Leute glauben, er könne nicht mehr viel. Das ist eine Entwertung als Person, die demente Menschen immer wieder erfahren. Und das Theater bietet ein Gegenstück dazu.“
Beate ist zum ersten Mal bei einer Aufführung mit dabei. Als sich ihre Demenzerkrankung bemerkbar machte, holten sie die Kinder nach Berlin in eine Einrichtung für Betreutes Wohnen. Doch Beate fehlten dort eine Tagesstruktur und eine Aufgabe. Ihr Sohn Markus hat durch einen Zeitungsartikel vom Theaterprojekt „Papillons“ erfahren und besorgte zusammen mit seiner Schwester einen Platz im Pflegeheim „Am Kreuzberg“. Die Kinder hoffen, dass ihre Mutter, die stets die Aufmerksamkeit suchte, zum Lebensende noch einmal aufblühen und im Rampenlicht stehen kann.
Die beiden haben ihre Mutter, die selbständig in der Modebranche arbeitete, als sehr egozentrischen Menschen in Erinnerung, der viele Entscheidungen zu Lasten der Kinder traf. Die Demenz ihrer Mutter empfinden sie insofern fast als Segen, weil viele Konflikte dadurch ein Ende fanden. Sie konzentrieren sich nun auf die verbleibende Zeit, um ihrer Mutter trotz allem einen schönen Lebensabend zu gestalten. Über das Theater sagen Markus und Annette: „Unsere Mutter scheint wieder wacher und lebendiger, seit sie zur Gruppe gestoßen ist.“
Hinweis
[Ton: Audiodeskription ]
Personen
von: | Janina Heckmann, Thomas Rosenberg |