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In Hamburg gibt es noch etwa 700 Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg, viele davon unterirdisch. Wer hinabsteigt, ist neugierig oder sucht Aufklärung und Erinnerung. Denn die Enge bedrückt, weckt Gefühle, die nur hier kommen. Wer sich traut, kann eine ganze Nacht in einem Tiefbunker verbringen.
Eine unauffällige Grünanlage am Rande einer vierspurigen Ausfallstraße: Vorbeieilende Passanten ahnen nicht, was sich unter Rasen und den Bäumen verbirgt. Eine Gruppe von Menschen versammelt sich vor einem kleinen alten Gemäuer. Es ist bunt besprayt wie so viele Mauern in dieser Gegend. Die beiden Bunkerführer vom Verein unter hamburg raten dazu, jetzt die letzte Whatsapp abzuschicken und Jacken anzuziehen. Denn in der Tiefe herrsche Funkstille und es sei zwölf Grad kühl. Dann öffnen sie das eiserne Tor des kleinen Betonbauwerks. Die Besuchergruppe steigt eine lange, steile Treppe hinab in die Tiefe, den Schlafsack und kleines Nachtgepäck dabei.
So wie jetzt die kleine Gruppe, waren es bei Fliegeralarm in den Juninächten 1943 die Menschen, die damals Schutz suchten. Als damals etwa 800 Leute hinabgestiegen waren, sperrte der Bunkerwart das eiserne Tor zu. Wer jetzt noch kam, musste draußen bleiben und war verloren im Inferno der Bombardierung. Die Menschen im Bunker überlebten die komplette Zerstörung ihrer Heimat dort oben. In den umliegenden Stadtteilen Borgfelde, Hammerbrook und Rothenburgsort blieb nicht viel übrig. Der 1200 Grad heiße Feuersturm, der nach dem Bombenhagel mit mehr als 300 Stundenkilometern durch die Straßen und Trümmerschluchten jagte, löschte alles Leben aus. In den Bombennächten starben mehr als 40.000 Hamburger. Es waren vor allem Frauen und Kinder und alte Menschen, die noch in Hamburg gelebt hatten.
2025. Das Handy schweigt. Nach ein paar Stufen bricht die Verbindung zur Welt ab. Kein Internet, keine Anrufe möglich, kein Empfang. Am Treppenende eine tonnenschwere Stahltür. Man tritt durch die fast zwei Meter dicke Bunkerwand in die Sicherheitsschleuse, die atomare, chemische und biologische Kampstoffe draußen halten soll. Der Weltkriegsbunker wurde in den 1960er-Jahren im Kalten Krieg zum Atom- bzw. ABC-Schutzbunker umgerüstet. Die gesamte Technik, alles Mobiliar, auch die harten Schlafpritschen stammen aus der Zeit. Die Bunkerführer Dirk Aldenhövel und Ronald Rossig weisen bei schummrigem Licht und kühler Luft die Gruppe ein: Gemeinschaftsschlafräume, hartes Gestühl, spartanische Sanitäranlage, Rettungsraum, Küche, Beleuchtung, Wasserversorgung, Luftfilter, alles von 1963.
„Die Nordreportage“ begleitet 80 Jahre nach Kriegsende Menschen, die in der Tiefe des Bunkers eine Nacht lang dem Gefühl des Krieges nachspüren und sich darüber austauschen wollen.
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