Merlin ist 28 Jahre alt und auf der Suche nach dem einen besonderen Menschen, nach der großen Liebe. Doch Merlin ist blind - und das macht das Kennenlernen zu einer besonderen Herausforderung: „Ich kann in der Bahn sitzen - und mir fehlt der Blickkontakt. Ich kann keine
Frau ansehen, ihr ein Lächeln schenken, sie mit einem Zwinkern einladen, mir zu zeigen, dass sie mich auch bemerkt hat. All diese kleinen Signale, die so viel bedeuten können - sie bleiben mir verborgen.“
Die Einsamkeit wiegt schwer, also wagt Merlin einen Schritt in die digitale Welt der Dating Portale. Ein Freund hilft ihm, ein Profil zu erstellen. Gleich auf der ersten Seite macht Merlin klar: Er ist blind. Trotzdem melden sich Frauen - und eine Nachricht lässt sein Herz schneller schlagen. Eine Frau schreibt ihm, dass sie zwar sehen könne, sich aber gerade deshalb einen blinden
Mann wünsche. Denn er, so glaubt sie, würde sie nicht wegen ihres Äußeren lieben, sondern mit dem Herzen sehen.
Auch Karina kennt diese Sehnsucht. Die 38-jährige wurde blind geboren und bewegt sich dennoch mit großer Sicherheit durch die Welt. An diesem Herbsttag drapiert sie in ihrem Wohnzimmer kleine Kürbisse und getrocknete Blätter, riecht an Zimtstangen und ordnet Kastanien in eine Schale. Für sie ist Dekoration ein sinnliches Erlebnis. Ihre Eltern hatten sich früh entschieden, Karina nicht in Watte zu packen, sondern stark zu machen. Und das ist sie: selbstbewusst, unabhängig, alleinerziehende Mutter einer 16-jährigen Tochter.
Doch genau diese Stärke verwirrt viele Männer. Statt der „schwachen Blinden“, die Schutz sucht, treffen sie auf eine Frau, die weiß, was sie will. „Ich bin, wie ich bin“, sagt Karina selbstbewusst. „Die Männer müssen mich so nehmen.“
Mit Humor und Offenheit begegnet sie der Welt: Beim Karaoke singen, beim Speeddating, online - sie wagt sich raus, immer auf der Suche nach dem Menschen, der nicht nur sieht, sondern wirklich wahrnimmt.
Merlin möchte nicht nur eine Partnerin finden, sondern kämpft auch um Bildung und Anerkennung. Als Kind wurde er in eine Sonderschule geschickt, später in eine Blindenwerkstatt. Er träumt davon, die mittlere Reife nachzuholen und dann
Abitur zu machen. Leider gibt es kaum Schulen, die blinde Erwachsene aufnehmen - Inklusion in der Erwachsenenbildung? Fehlanzeige. Doch Merlin gibt nicht auf. Er weiß: Wenn er in der Werkstatt bleibt, sinken seine Chancen: auf einen Beruf, auf Selbstbestimmung - und auf eine Frau, die ihn nicht bemitleidet, sondern bewundern kann.