Interview Carolin Kebekus – „Man braucht eine Haltung, wenn man sich vor Leute hinstellt.“

Carolin Kebekus hätte sich nicht träumen lassen, dass ihr geliebtes Köln auch einmal negative Schlagzeilen produziert. Wie gefährlich Comedy für Politiker werden kann, warum Hillary Clinton die amerikanische Präsidentschaftswahl gewinnt und weshalb es ein Traum ist, im Kanton Appenzell Innerrhoden auf der Bühne zu stehen - hier im TVinfo Interview. Und ab Samstag, 5.3.2016, wieder mit PussyTerror TV im Fernsehen:

Carolin Kebekus

TVinfo: Was sind die drei schönsten Dinge an Köln?

Carolin Kebekus: Die Menschen, der Rhein und der Karneval.

TVinfo: Wenn es so viel Schönes in Köln gibt, warum taucht Köln dann in letzter Zeit häufiger in negativen Schlagzeilen auf?

Carolin Kebekus: Silvester...

TVinfo: Hat Köln jetzt ein Image-Problem?

Carolin Kebekus: Als Kölner selber hat man da natürlich nicht das Gefühl. Wir lieben unsere Stadt ja bis ins Grab, und deswegen kommt da nichts auf die Stadt. Das Image von Köln kann man für Kölner nicht zerstören. Da kannst Du machen, was Du willst. Köln kannst Du in Schutt und Asche legen – die Kölner würden immer noch am Rhein sitzen und sagen: „Herrlich! Guck Dir das an! Herrlich!“ Alles in irgendwelche U-Bahn-Tunnel gestürzt, alle Frauen begrapscht. Trotzdem: „Herrlich!“

TVinfo: In Köln ist die spätere Oberbürgermeisterin beinahe einem Mordanschlag zum Opfer gefallen...

Carolin Kebekus: In Köln gibt es viele Menschen, die rechts wählen. Es gibt „Pro Köln“, die einen großen Zuspruch haben. Die auch durch die Geschichte der Moschee profitiert haben, weil sich sonst keiner kritisch positioniert hat. Nur „Pro Köln“ hat gesagt: „Das finden wir Scheiße.“ In Köln gibt es eine große rechte Szene.

TVinfo: Sind die schlechten Nachrichten demnächst hier wieder verschwunden?

Carolin Kebekus: Die Zeit momentan ist so krass… Allein, was die Terrorangst in Europa angeht. Die Anschläge in Istanbul sind an einem Platz gewesen, da bin ich letzten Sommer noch entlanggegangen. Diese Bedrohung, die so real wird, und aber auch gleichzeitig diese rechte Bedrohung, die auch immer realer wird. Ich finde die Welt sehr beängstigend momentan.

TVinfo: A propos Welt: Wer wird die nächste amerikanische Präsidentin?

Carolin Kebekus: Ich glaube, dass Hillary Clinton gewinnen wird.

TVinfo: Warum dominiert dann Donald Trump die Schlagzeilen?

Carolin Kebekus: Er ist wie eine Comic-Figur. Er bietet viel Potential, um über ihn zu berichten.

TVinfo: Haben nicht die amerikanischen Medien – und auch Comedians – die Wähler an Donald Trump gewöhnt, indem sie ihn als Gaglieferanten dauernd ins Wohnzimmer gelassen haben?

Carolin Kebekus: Das glaube ich nicht. Aber die machen sich ja nicht nur über die Frisur lustig, sondern er wird auch oft vorgeführt mit dem, was er sagt. Es wird sich ja auch über seine rassistischen Äußerungen lustig gemacht. Ich glaube eher, dass es ihm schadet. Das ist ja so ein bisschen wie mit der heute show in Deutschland. Ich glaube, die heute show hat die FDP kaputt gemacht (lacht).

TVinfo: Gilt für einen Comedian: Lieber einen seriösen Politiker demontieren als eine Pointe ungenutzt lassen?

Carolin Kebekus: Ich verkauf meine Oma für einen Witz. Es tut mir leid, ich bin so. Ich bin immer der Freund des Witzes.

TVinfo: Haben sich nicht auch die heute show und die Comedians genau so über diejenigen vernünftigen Politiker maßlos lustig gemacht, die jetzt in Zeiten knapper Vernunft dringend gebraucht werden?

Carolin Kebekus: Das Prinzip der heute show ist ja, dass sie sich gerade den Politikern widmet. Es ist ja keine Show, die über Fußballer redet. Wenn jemand bescheuerte Argumente bringt oder etwas Bescheuertes sagt… In der Witzeverteilung ist die heute show natürlich sehr gerecht. Da wird jeder rangenommen. Aber ich glaube nicht, dass das eine Gefahr ist.

TVinfo: In Ihrem Pussy-Terror-Clip „Wie blöd Du bist…“ haben Sie die „Asylkritiker“ rangenommen…

Carolin Kebekus: Gott sei Dank sind die meisten nicht so schlau und organisiert. Wenn die ein bisschen schlauer und organisierter wären, dann wäre das schrecklich.

TVinfo: Steht Comedy auf einer politischen Seite?

Carolin Kebekus: Bei Comedy sagt man ja immer, dass es unpolitisch ist. Im Gegensatz zum Kabarett. Ich finde gar nicht, dass es da so eine Grenze geben muss. Wenn mich etwas interessiert auf der Bühne, dann rede ich darüber. Da ist mir dann egal, ob das Comedy, Kabarett oder was auch immer ist. Ich glaube, dass es alles stärker macht, wenn man eine Haltung hat. Und wenn die authentisch ist, dann merken das die Leute. Und ich finde, man braucht eine Haltung, wenn man sich vor Leute hinstellt.

TVinfo: Ist Comedy also eine wichtige Säule der politischen Meinungsäußerung?

Carolin Kebekus: Das stimmt, absolut.

TVinfo: Und auch der Meinungsbildung?

Carolin Kebekus: Das hat etwas mit der Art und Weise zu tun, wie man sich informiert: Wenn ich bei Facebook in meiner Timeline sehe, da hat jemand ein Video geposted, dann guck ich mir das an. Und das ist vielleicht ein 2-Minuten-Ausschnitt von insgesamt 5 Minuten. Ich glaube den 2 Minuten dann automatisch. Die meisten machen sich nicht die Mühe, Dinge noch einmal zu hinterfragen. Wie bekomme ich meine Informationen? Bei diesem Clausnitz-Video war das erste, was ich gesehen habe, ein Ausschnitt, in dem die Frau mit dem Kopftuch in dem Bus gegen die Scheibe spuckt und die Leute daraufhin anfangen zu schreien. Das war so zusammengeschnitten, dass man gedacht hat: Warum spuckt denn die Frau die Leute an, das ist jetzt aber auch ein bisschen zu viel. Davor war aber die Szene mit dem Polizisten, der das Kind aus dem Bus zieht. Als die Leute geweint haben. Da dachte ich auch kurz: Man hinterfragt ja gar nichts mehr.

TVinfo: Wie läuft das bei Ihnen in der Redaktion?

Carolin Kebekus: Ich wollte letztens mal etwas wissen: Wie viele Frauen wurden schon sexuell belästigt? Ich wollte fundierte Zahlen haben. Und ich habe Zahlen bei Google gefunden, von denen ich gedacht habe: Das kann nicht sein. Es kann nicht sein, dass 55% aller Frauen in der EU schon Opfer sexueller Gewalt waren. Tatsächlich stimmte das. Und zwar ist sexuelle Gewalt versuchte Vergewaltigung oder Vergewaltigung. Über die Hälfte! In der EU! Jetzt muss die Redaktion recherchieren: Wie kommen solche Zahlen zu Stande. Das ist ein Mega-Aufwand. Da recherchieren jetzt zwei Leute Studien zusammen.

TVinfo: Also ist Comedy auch ein wichtiges Informationsmedium?

Carolin Kebekus: Soweit würde ich jetzt nicht gehen. Ich habe schon einen unterhaltenden Auftrag. Aber die Themen, die mich interessieren, über die ich nachdenke, die verarbeite ich automatisch auf der Bühne. Und da will ich jetzt einfach keine Scheiße erzählen.

TVinfo: Es gibt da auch so jemanden wie John Oliver mit seiner „Last week tonight“...

Carolin Kebekus: Großartig! Was hat der für eine Redaktion! Das muss unfassbar sein. Das müssen Leute sein, die wie Ermittler sagen: Pass auf, ich bin hier an einem Thema dran. Und ich recherchiere das jetzt durch. Das sitzt keiner, der sagt: „Das Thema ist jetzt aber nichts mehr. Wir müssen jetzt etwas Aktuelleres machen.“ Sondern die recherchieren das so lange zu Ende, bis sie da wirklich ein fettes Ding haben. Dann ist es egal, ob das Thema jetzt gerade hot ist oder nicht hot ist. Und dann wird das gemacht. Das ist ein unfassbarer Luxus. So etwas kann ich gar nicht machen. Dafür habe ich in der Redaktion nicht genügend Leute. Stell Dir vor, Du hast da so Faktenberge und Du kannst daraus eine fundierte Geschichte machen. Das macht der so großartig. Über die krassesten Themen findet er immer wieder so einen Dreher, über den Du dann extra befreit lachen kannst.

Last week tonight

TVinfo: Sie unterstützen UN Women, die Frauenorganisation der Vereinten Nationen. Warum?

Carolin Kebekus: Ich hab gedacht, wenn ich schon den Mund so aufmache, dann muss auch jemand etwas davon haben.

TVinfo: Sie haben bei den UN Women mit Emma Watson eine Kollegin, die eine beeindruckende Rede zur Kampagne „HeForShe“ gehalten hat...

Carolin Kebekus: Emma Watson hat dafür ganz schön einstecken müssen. Dieses Thema Feminismus löst bei ganz vielen Leuten Aggros aus. Das verstehe ich nicht. Ich kann nachvollziehen, dass jemand sagt, wenn man Witze über Veganer macht: „Das ist nicht cool. Da sterben Tiere. Ich setze mich dafür ein, dass ein Tier nicht stirbt. Also lass mich in Ruhe.“ Das kann ich noch nachvollziehen. Aber wenn jemand sagt „Ich bin dafür, dass alle Leute gleich behandelt werden.“ Wie kann man denn da sagen: „Halt die Fresse, Du Ungebumste?“ Ich muss da immer drüber lachen.

HeForShe

TVinfo: Gerade läuft ein beeindruckender Film zum Frauenwahlrecht in England, das erst 1918 eingeführt worden ist. Und in der Schweiz erst 1971.

Carolin Kebekus: Und zuletzt im Kanton Appenzell Innerrhoden. Ach, das war schön, als ich in der Schweiz gespielt habe. Appenzell Innerrhoden, Frauenwahlrecht erst 1990: Leute, lasst mich los! Ich muss dazu etwas sagen!

Film zum Frauenwahlrecht in England

TVinfo: Wann kommt Ihre erste politische Rede?

Carolin Kebekus: Ich fang auf jeden Fall an, mich damit zu beschäftigen gerade. Ich verschließe mich nicht dagegen. Sollen wir einen Termin machen? Ich merke schon, dass das Frauenthema bei mir immer wiederkehrt. Irgendwann habe ich angefangen, mich zu fragen, warum mache ich das eigentlich auf der Bühne? Als ich Kind war, fand ich es immer schrecklich, wenn ich herablassend behandelt wurde. Meistens von dicken alten Onkels: „Die Mädels gehen jetzt mal schön in die Küche.“ Wenn ich so etwas mitbekommen habe, dann musste ich immer extra diesem Onkel einen mitgeben. Das hat sich so durchgezogen.

TVinfo: Reden sie auch deswegen manchmal so vulgär?

Carolin Kebekus: Ja, genau. Und ich finde auch, dass das einem Macht gibt. Wenn Dich jemand als Mädchen herabsetzt – und das geht ja schnell, indem er einfach „Puppe“ oder „Häschen“ sagt, dann kannst Du ihn ganz schnell entmachten, indem Du noch krasser bist als der. Also wenn Du dann im selben Moment etwas über Schwänze sagst, bist Du plötzlich in der Machtposition ganz oben.

TVinfo: Zum Abschluss unsere traditionellen, zusammenhanglosen Vervollständigungssätze: Wenn Helene Fischer mich für ein Duett bei Helene Fischer anfragt, dann...

Carolin Kebekus: ...würde ich mich sehr freuen, sie in meiner Sendung begrüßen zu dürfen.

TVinfo: Damit ich am 13. März beim nachgeholten Rosenmontagszug in Düsseldorf mitziehe,...“

Carolin Kebekus: ...müsste man mir sehr viel Geld geben.

TVinfo: Der größte Irrtum über mich ist,...

Carolin Kebekus: ... dass ich privat Asi bin und herumschreie.

TVinfo: Frau Kebekus, herzlichen Dank für das Gespräch!

Das Gespräch führte Markus Pins am 29.02.2016 in Köln.

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