TVinfo: Bist du Comedian, Kabarettist, Satiriker oder Philosoph?
Florian Schroeder: Alles auf einmal. Das Ernste und das Leichte sind Nachbarn und keine Konkurrenten. Ich glaube, ich bin mehr Satiriker als Comedian. Aber ich habe durchaus auch Comedyanteile und würde sagen, dass es in mir große philosophische Anteile gibt.
TVinfo: Offensichtlich magst du Rückblicke: Wochenrückblicke und Jahresrückblicke. Woher kommt das?
Florian Schroeder: Irgendwann habe ich mit meinem damaligen Duopartner Volkmar Staub angefangen, einen Jahresrückblick zu machen. Das hat sich eigentlich eher so ergeben. Das ist eines dieser Dinge im Leben, zu denen man kommt, ohne dass man sie sich ausgesucht hat. Und dann funktionieren sie und dann erhebt man sie zu einem Prinzip. Ich bin auf jeden Fall besser im Zurückgucken als im Nachvornegucken. Glaskugelleserei kann ich nicht haben. Von Walter Benjamin gibt es den Satz, dass der Historiker ein rückwärtsgewandter Prophet ist. Den finde ich sehr schön, weil ich es völlig vermessen finde, zu wissen, was kommen wird. Und ich finde es spannender, das in neue Bezüge zu setzen, was war, und für die Leute neu zu erzählen.
TVinfo: Oder weil die Hegelsche Eule der Minerva auch erst in der Dämmerung anfängt zu fliegen?
Florian Schroeder: Ja, auch das. Erst dann, wenn alles grau in grau ist, wird es produktiv. Das sagt Hegel ja an der Stelle auch und das sehe ich ähnlich. Die Dämmerung ist eine Zeit, die mir sehr gut gefällt. Ich mag diesen Übergang ins Abendliche, Nächtliche – eine Zeit des Dazwischen. Für den Künstler ohnehin der produktivste Ort. Ich bin ein Nachtmensch aufgrund meines Berufs, der meist dann stattfindet, wenn es dunkel ist oder wird. Das Erkennen im Nachhinein ist die einzige Möglichkeit des Erkennens. Sie hat Melancholie, aber auch was Beruhigendes.
TVinfo: Nicht nur in der Dämmerung bewegst du dich in Übergangsbereichen. Du überschreitest auch immer wieder eine Grenze, wenn du als Gast zu einer politischen Talkshow eingeladen wirst. Ist das nicht eine unzulässige Grenzüberschreitung, wenn der Satiriker in der Welt derer auftaucht, die er eigentlich kritisieren sollte?
Florian Schroeder: Das glaube ich nicht. Meine Rolle bleibt ja auch in Talkshows die des Kommentators. Ich gehe auch ganz bewusst auf die andere Seite. Deswegen bin ich mit Peer Steinbrück auf Tour gegangen und mache ein Mal im Jahr die „Satireshow Spezial“ mit ihm zusammen für das WDR Fernsehen. Es ist nicht damit getan, dass man sich in meinem Beruf in der eigenen Komfortzone aufhält und glaubt, man kriegt den Applaus, den man verdient. Alle sind begeistert, und man geht nach Hause. Ich finde es wichtig, in fremde Welten zu gehen, auszustrahlen und auch da Input aufzunehmen.
TVinfo: Wie ist es zu der Kooperation mit Peer Steinbrück gekommen?
Florian Schroeder: Die Ursprungsgeschichte war, dass ihm seine Tochter eines meiner Bücher geschenkt hat, das „Hätte, hätte, Fahrradkette“ hieß. Er war in seiner Art ironisch erzürnt darüber, dass ich diesen Titel von ihm geklaut habe, und schrieb mir in einem Brief, dass ich ihm eine Flasche Rotwein schulde. Daraufhin habe ich gesagt: Ich schulde Ihnen gar nichts. Ich lade Sie in meine Sendung ein, die Satire Show, die es damals beim RBB gab. Und da kam er. Das war ein sehr lustiges Gespräch. Es war die letzte Woche, als er noch im Bundestag saß, so dass wir kein Vorgespräch führen konnten, weil keine Zeit war. Am Ende sagte ich zu den Leuten: Sie sahen hier den Nachwuchs-Kabarettisten Peer Steinbrück – demnächst auf Tour auf Kleinkunstbühnen in ganz Deutschland. Und dann sagte Peer Steinbrück: Wenn Sie sagen, wir gehen auf Tour, dann machen wir das. Und dann war er gefangen.
TVinfo: Vor einem deiner berühmtesten Auftritte war es zu einem Missverständnis gekommen, weil jemand nicht mitbekommen hatte, dass du etwas satirisch gemeint hast. Passiert dir das häufiger?
Florian Schroeder: Das kommt manchmal vor. Wobei es seltener vorkommt, dass Leute es nicht verstehen, als vielmehr, dass ich ihre Verwirrung hervorkitzeln will. Also im besten Fall ist es eine Entscheidung. Das halte ich für meine Arbeit für sehr wichtig. Dass man die Leute kontraintuitiv überrascht, dass man sie irgendwo hinführt, womit sie nicht rechnen, weil das wach hält. So kenne ich es auch umgekehrt: Wenn ich in ein Programm gehe, freue ich mich ungeheuer, wenn ein Künstler eine Abbiegung nimmt, mit der ich nicht gerechnet hatte. Und wenn ich überrascht werde. Es gibt in der Kunst nichts Schlimmeres als Vorhersehbarkeit.
TVinfo: Eines deiner Formate heißt „Schroeder darf alles“. Darfst du wirklich alles?
Florian Schroeder: Ja, das ist wirklich Prinzip. Und das ist schön. Also ich habe bisher nie das Gefühl gehabt, dass mir Steine in den Weg gelegt wurden. Im Gegenteil. Bei allem gab es sehr viel Zuspruch und wenn Widerspruch, dann kritischen. Das ist in so einer Zusammenarbeit auch sehr wichtig. Ich konnte alles machen. Ich konnte eine Sendung machen über ARD und ZDF. Ich konnte eine Doku machen, wo ich erkläre, wie ich zum Kanzler und anschließend zum Autokraten werde. Ich konnte eine Sendung über Wokeness machen. Es war alles möglich.
TVinfo: Du versuchst auch, Rechtsradikalismus zu verstehen. Wie weit gehst du dabei?
Florian Schroeder: Ich gehe so weit, dass ich alles verstehen möchte, was diese Menschen umtreibt. Und ich glaube, dass wir ein Problem haben mit dem Begriff des Verstehens. Der ist zu Recht in Misskredit geraten. Durch Putinversteher oder Hamasversteher. Das waren aber oft nicht wirklich Leute, die verstehen wollten, sondern Leute, die sich eigentlich zu nützlichen Idioten derer gemacht haben, die sie vorgegeben haben zu verstehen. Also Sahra Wagenknecht, Gabriele Krone-Schmalz und Co. Was ich mich frage: Erstens: wie denken Rechtsextremisten? Zweitens: Wie denken ihre Wähler? Warum sind die so? Wovor haben die Angst? Und ich nehme sie zutiefst ernst, um gleichzeitig ihre Position radikal zu kritisieren. Das ist für mich verstehen.
TVinfo: Du hast vor kurzem eine politische Analyse für ein großes Nachrichtenmagazin geschrieben. Brauchst du also doch mehr als Satire?
Florian Schroeder: Ich würde nicht sagen, dass ich es brauche, aber mir macht es Lust. Ich habe mehr und mehr das Gefühl, dass es eine Sprache gibt, die sich jenseits dessen bewegt, was ich satirisch ausdrücken kann. Die satirische Sprache ist wundervoll. Ich liebe sie und das, was ich mit ihr ausdrücken kann. Ich liebe es, auf der Bühne zu stehen. Ich liebe es, Fernsehen zu machen. Ich liebe es, auf Tour zu sein. Davon ist nichts abzuziehen. Aber es gibt eine Ebene, die hinzukommt. Und ich glaube, dass es wichtig ist für mich, aus der Satirebubble rauszugehen, um auch andere Leute mit diesen Gedanken zu erreichen. Und nicht alles ist in Pointen formulierbar. Deswegen gibt es verschiedene Kanäle, auf denen ich senden kann.
TVinfo: Wenn jemand dir ein Angebot machen würde, in die Politik zu wechseln, bei welchem Ministeramt würdest du schwach?
Florian Schroeder: Bundeskanzler. Das würde mich interessieren. Ansonsten. Ministerium? Es wäre natürlich jetzt naheliegend, wenn ich so etwas wie Kultur sagen würde. Aber das ist immer so ein Wurmfortsatz. Leider.
TVinfo: In der aktuellen Bundesregierung ist der Philosoph der Wirtschaftsminister. Gute Sache oder schlechte Sache?
Florian Schroeder: Gute Sache. Weil er eine andere Sprache zur Verfügung hat, die er einsetzen kann. Und die ist viel wert. Da ist es zweitrangig, ob er Wirtschaftsminister ist oder nicht. Und es ist ehrlich gesagt auch zweitrangig, in welcher Partei er ist. Häufig hält er ja Reden, die man sich von einem Bundeskanzler egal welcher Partei wünschen würde. Er schafft es in seinen guten Momenten, eine Sprache zu etablieren, die nachdenklicher ist, die vorsichtiger ist, die tastender ist und die trotzdem zupacken kann. Und das ist schon etwas, was fehlt.
TVinfo: Auf einer Skala von 1 bis 10. Wie gut war Robert Habecks Rede zum 7. Oktober?
Florian Schroeder: Neuneinhalb
TVinfo: Ebenfalls auf einer Skala von 1 bis 10, Wie wahnsinnig ist die Welt gerade?
Florian Schroeder: Heute würde ich sagen: eine Neun. Aber das ist auch immer abhängig von dem Moment, in dem du fragst. Ich hoffe nicht, dass ich nächstes Jahr das aktuelle Jahr downgraden muss, weil das nächste Jahr noch schlimmer geworden ist. Das wäre tragisch.
TVinfo: Wie schlimm ist das, dass die Welt so wahnsinnig gerade ist?
Florian Schroeder: Es gibt für mich einen positiv besetzten Begriff des Wahnsinns. Ich möchte den Wahnsinn eigentlich auch schützen vor dem Zugriff des ausschließlich Problematischen. Wahnsinn hat ja auch eine sehr kreative, eine sehr vitale Komponente. Aber den meine ich in dem Moment nicht. Dass die Welt im Moment so aus den Fugen geraten ist, ist insgesamt schon sehr dramatisch. Weil es eine sehr militarisierte Zeit ist und eine gefährliche Zeit.
TVinfo: Auch wenn du eher der Rückblicker als der Vorausblicker bist: Welche drei Sachen wünschst du dir für 2024?
Florian Schroeder: Der erste Wunsch wäre ein ganz pragmatischer: Dass die Kriege im Nahen Osten, in Israel und in der Ukraine enden. Kriegsende als ein Wunsch. Zwei Kriege, ein Wunsch. Ich hoffe, das ist okay. Der zweite Wunsch wäre, dass unsere Gesellschaft wieder Graubereiche zulassen kann. Im Gespräch, im Umgang miteinander. Also eine Abrüstung der Worte und wieder mehr Unschuldsvermutung. Und der dritte Wunsch für 2024 wäre, dass Deutschland lernt, ironisch zu sein, leichter zu sein, spielerischer.
TVinfo: Florian Schroeder, danke für das Gespräch!
Das Gespräch führte Markus Pins am 17.12.2023 in Düsseldorf.