Interview Max Uthoff – „Wir bräuchten eine Revolution im Sinne des Klimaschutzes.“

Max Uthoff moderiert zusammen mit Claus von Wagner und Maike Kühl „Die Anstalt“ im ZDF und findet auch in seinem aktuellen Programm „Alles im Wunderland“ klärende Worte zur weltpolitischen Lage. Bei TVinfo berichtet er, warum nur eine globale Revolution die Klimakrise stoppen kann …

Max Uthoff

TVinfo: Wie hoffnungsfroh stimmt dich als Kabarettist die aktuelle politische Lage?

Max Uthoff: Das variiert immer ein bisschen mit dem Thema der nächsten Sendung. Wenn wir uns beispielsweise mit dem Klima beschäftigen, ist meine Hoffnung ganz weit unten. Ich habe ja zwei Töchter, eine 17-jährige, eine 10-jährige. Und damals, als ich Vater geworden bin, gab es diesen Gedanken, ob man noch Kinder in diese Welt setzen kann. Und damals war für mich klar: Logisch! Ja, es gibt Probleme, aber sie sind irgendwie lösbar und das kriegen wir schon irgendwie hin. Wahrscheinlich ist es ein Zeichen von Dummheit oder mangelnder Achtsamkeit, aber als meine Tochter vor 17 Jahren geboren wurde, habe ich tatsächlich das Thema Klima nicht so auf dem Schirm gehabt, wie ich das hätte haben sollen. Denn wir wissen ja seit 40 Jahren, was da los ist und was auf uns zukommt. Und es ist erstaunlich, wie langsam Gesellschaften reagieren. Ich sehe es bei mir aber auch. Würde ich heute noch mal Kinder in die Welt setzen? Schon. Ich würde die Frage zwar nicht verneinen, aber ich hätte noch ein schlechteres Gewissen dabei, weil das nicht gut aussieht.

TVinfo: Warum sieht es nicht so gut aus?

Max Uthoff: Wenn man sich anschaut, was beim letzten Klimagipfel rausgekommen ist, dann ist das ja einfach nur kümmerlich. Wir gucken zu, wie die Erderwärmung stärker wird. Es gibt ein sehr schönes Buch von Jens Beckert: „Verkaufte Zukunft“. Der erklärt, warum das so ist. Weil eben dieser Wachstumsgedanke ins kapitalistische System eingeschrieben ist. Du müsstest im Grunde genommen das ganze Denken der Menschen in diesem System ein bisschen auf den Kopf stellen. Erich Fromm hat in „Die Kunst des Lebens“ einmal diesen Typus beschrieben, der immer mehr hortet und haben will. Davon musst du Abstand nehmen, das musst du irgendwann überwinden können. Und das bedeutet natürlich auch eine Einschränkung des Lebensstandards. Bedeutet natürlich weniger fliegen, bedeutet nicht so große Wohnungen, nicht so viel Heizen, eine Einschränkung des Lebensstandards. Aber Einschränkung ist das Gegenteil von Wachstum. Das kriegen wir irgendwie emotional nicht hin, dieses Verzichtsdenken.

TVinfo: Verzweifelst du an der Welt?

Max Uthoff: Wenn du Systemkritik machst, dann landest du natürlich immer wieder bei denselben Stellschrauben. Weil sich dieses System nicht ändert. Und dann redest du wie Volker Pispers brillant über die immer gleichen Problemstellungen und das beginnt dich selbst intellektuell zu langweilen. Und es macht deine Laune auch nicht besser. Ich habe mit 17 bei meinem Vater im Kabarett angefangen, stand das erste Mal auf der Bühne. Ich werde damit leben müssen, dass die FDP vor meiner Geburt existiert hat und nach meinem Tod noch existiert. Und dass, egal, was du den Leuten verbal um die Ohren schlägst, es Leute gibt, die diese Partei für wählbar halten, obwohl sie natürlich all das verkörpert, was an diesem System kaputt ist und krank ist und unsolidarisch und individualistisch und egoistisch und gierig.

TVinfo: Sind alle FDP-Wähler doof?

Max Uthoff: Nein. Manche sind doof, aber die sind nicht alle doof. Die sind auf eine bestimmte Art und Weise sozialisiert worden. Machen wir mal einfach der Küchenpsychologie die Tür auf: Ich glaube, dass FDP-Wähler sozialisiert worden sind mit einer großen Affinität zu materieller Sicherheit. Menschen, für die der Erwerb und der Besitz von Dingen und das Haben wichtiger sind als das Sein. Das ist aber eigentlich nur die Extremform dessen, was in der Gesellschaft üblich ist: Wir werden erzogen mit dem Haben, mit dem Glauben an Wachstum. Diesem Kapitalismus ist eingeschrieben, dass es immer mehr geben muss von allem. Das wird gleichgesetzt mit Fortschritt, und es ist gleichzeitig das, was diesen Planeten kaputt machen wird auf Dauer. Aber wenn du das erst mal über die Jahrhunderte eingibst bei den Leuten, dann haben sie wahnsinnig große Verlustängste.

TVinfo: Trifft das nur auf FDP-Wählerinnen und Wähler zu?

Max Uthoff: Diese Loslösung von der Wirklichkeit ist typisch für FDP-Wähler. Sich einigeln und in dem materiellen Status verharren. Für die Wahl der AfD glaube ich, ist es eher einfach Angst und große Unsicherheit. Das sind Menschen, die verunsichert sind. Für die das ein bisschen zu viel ist. Ich kann auch manche Motivation durchaus verstehen. Ich kann viele Menschen im Osten verstehen, die einfach angepisst sind von dem, was die Demokratie, die sie sich so erhofft haben, ihnen dann irgendwann mal gebracht hat. Denn letztlich haben wir sie ja über den Tisch gezogen bei der Wende, und das bleibt halt nicht ohne Folgen. Das ist jetzt 30 Jahre her, aber wir haben ja Zehntausende von Erwerbsbiografien abgeschnitten und für unwichtig erklärt. Und das macht was mit Menschen, und deren Kinder haben es ja mitgekriegt.

TVinfo: Und das reicht als Erklärung?

Max Uthoff: Irgendwann kommt noch dazu, dass die Leute auf dem Land abgehängt werden, im wahrsten Sinne des Wortes. Da fährt dann irgendwann kein Bus mehr, Du kommst nicht mehr von A nach B. Wenn du dir dann die Diskussionen anschaust, die geführt werden, dann fühlst du dich einfach schlichtweg nicht mehr wahrgenommen. Ich glaube, Wahrnehmung ist das, was Leute sich ersehnen und was sie sich dann im Netz holen. Ja, auf Twitter, auf Telegram oder keine Ahnung wo. Da werde ich mit meinem Protest wahrgenommen und die einfachste Variante, um in diesem Land wahrgenommen zu werden, ist mit deiner Stimme AfD zu wählen, weil du die größten Effekte erzielst. Das heißt, du wählst AfD und freust dich wahrscheinlich am nächsten Tag wie Bolle. Wie erschrocken die anderen darüber sind, was in diesem Land los ist. Und du weißt, das hat wenigstens Wirkung gezeigt.

TVinfo: Was bedeutet das politisch?

Max Uthoff: Wir dürfen nie vergessen, dass diese Menschen hochgradig apolitisch sind. Und zwar nicht im Sinne von, dass sie sich nicht für Politik interessieren, sondern dass sie vielleicht einfach manchmal zu bequem oder zu faul sind, sich tatsächlich mit den Inhalten zu beschäftigen. Denn wenn jemand, der nicht wirklich sehr, sehr viel Geld verdient und nicht wirklich schon sehr, sehr viel Reichtum und Eigentum besitzt, AfD wählt, dann hat er schlichtweg nicht ins Programm geguckt. Das ist ganz einfach. Das ist Neoliberalismus pur. Ich habe immer gesagt, gegen die AfD ist die FDP eine marxistische Splittergruppe, weil es da nur um die Interessen der Reichen geht. Und trotzdem schaffen sie es, sich als Stimme des Volkes zu verkaufen. Das ist ja eine wahnsinnige Mimikry, die da abläuft. Und ich glaube, dass die Leute einfach irgendwann so genervt sind, dass sie in simplen Reiz-Reaktions-Mustern denken. So nach dem Motto: Alles, was Politik ist, ist scheiße, und die da oben und so. Dann wird alles vereinfacht, weil es das Leben auch einfacher macht. Wenn du große Angst hast, willst du es einfach haben und nicht noch mehr Probleme oder Schwierigkeiten.

TVinfo: Wenn sich politische Einstellungen in der Kindheit formen, ist dann deine Kapitalismuskritik auch erblich?

Max Uthoff: Ja, ganz sicher. Ich bin bei meinem Vater so sozialisiert worden. Es gab ein Pflichtprogramm: Der Wochenspiegel musste sonntags geguckt werden. Also auch mit 6, 7 oder 8 Jahren. Sonst konnte ich machen, was ich wollte. Ich hatte viel Zeit, weil meine Eltern sehr oft im Geschäft, im Kabarett waren. Ich bin sehr früh sehr allein gewesen mit meinem Bruder. Heutzutage würde man fast von Vernachlässigung sprechen, aber nur im Sinne von abends alleine sein. Es gab mal eine Geschichte, da sind meine Eltern nach Hause gekommen und der Heizungskessel war durchgegangen. Da hatten wir Glück, weil alles schon rußig war. Wir hatten schon Ruß unter der Nase. Mein Vater hat uns dann rausgetragen aus dem Haus. Aber sie sind halt erst um 23:30 Uhr vom Geschäft nach Hause gekommen.

TVinfo: Das klingt nicht ganz einfach.

Max Uthoff: Mein Bruder und ich hatten auch eine große Freiheit dadurch. Wir konnten uns schön selbst organisieren. Ich habe rund um die Uhr auf dem Fußballplatz gestanden. Das war mein Leben, und ich habe das sehr geliebt. Die politische Sozialisation mit dem Wochenspiegel-Gucken, das war meinem Vater einfach wichtig. Auch wenn wir es nicht verstanden haben, zu sagen: Das ist die Welt da draußen, darum geht's. Er hat uns dann auch Sachen erklärt. Und auch eine sehr angenehme Vermittlung von Respektlosigkeit gegenüber Autoritäten. Das ist das, was mein Vater mir eigentlich vermittelt hat: Dass Menschen in Uniform nichts anderes sind als letztlich die Angestellten der Gesellschaft.

TVinfo: War das dein Weg ins politische Kabarett?

Max Uthoff: Mein Vater hat sich immer höflich und respektvoll benommen, aber sich nie was sagen lassen und immer in die Diskussion gegangen. Ich habe das ein paar Mal erlebt. Wir hatten im Rationaltheater, in einem Kabarett, das mein Vater gegründet hat, wahnsinnig viele Strafprozesse. Häufig noch wegen Gotteslästerung. Da ging ja damals schnell ein kritisches Wort über die Kirche, und dann hat er sofort einen Prozess wegen Gotteslästerung am Wickel gehabt. Ich glaube, er hat alle Prozesse auch selbst geführt und alle gewonnen, bis auf einen. Ich glaube, es waren über 60 Prozesse. Autorität war kein Argument für meinen Vater. Das hat er mir grundsätzlich vermittelt. Das sehe ich auch heute noch so. Ich hoffe, dass ich meinen Kindern auch vermitteln kann, dass der Respekt jedem gegenüber für alle gleich ist und dass es keine Rolle spielt, ob das dann ein Müllmann ist oder Bundespräsident.

TVinfo: Hast du in deinem Leben, in deinem Umfeld, in deiner Nachbarschaft Armutserfahrungen gemacht?

Max Uthoff: Krass war es nicht. Über Jahre hinweg waren meine besten Kumpels Söhne von einem Eisenbahner, der in einem kleinen Häuschen gearbeitet hat. Ich habe, weil ich es mir finanziell deutlich besser ging, den Unterschied gemerkt. Aber wenn du ein kleiner Junge bist, der mit diesen Typen gerne Fußball spielt, weil die richtig gut waren im Fußball - und ich war auch richtig gut im Fußball, einige der wenigen Sachen, in denen ich richtig gut war - dann interessiert dich das ja überhaupt nicht. Das ist das Demokratische am Fußball.

TVinfo: Würdest du sagen, deine politische Leidenschaft speist sich eher aus Mitgefühl oder eher aus Zorn?

Max Uthoff: Das ist nicht zu trennen. Das ist eine Mischung aus beidem. Wenn du Mitgefühl mit einer Situation hast, die etwas mit Leid zu tun hat, dann ist der Weg zu der Frage „Warum ist das so?“ und zu dem Gedanken, dass es ungerecht ist, ja nicht so weit. Ungerechtigkeit hat mich immer schon ziemlich in Wallung gebracht. Das war als Kind schon so und auch jetzt als Erwachsener. Die Ungerechtigkeit ist tatsächlich etwas, was mich immer noch, obwohl ich schon jetzt doch ein - ich möchte fast sagen - biblisches Alter erreicht habe, immer noch antreibt und aufregt. Und ich kann das schwer abstellen. Die Impulsivität und die Gefühle und die Leidenschaft, die mich dann erfassen.

TVinfo: Sind schrittweise Veränderungen in die richtige Richtung der beste Weg? Oder braucht es etwas Größeres?

Max Uthoff: Was wir bräuchten, wäre eine Revolution. Ganz klar. Wir bräuchten eine Revolution im Sinne des Klimaschutzes. Dumm natürlich, dass sie weltweit passieren müsste und dass wir natürlich immer wieder an den Punkt kommen, wo wir denen, denen es verdammt gut ging und die den größten CO2-Fußabdruck von allen auf der Welt haben, dann plötzlich sagen müssen: Jetzt hortet mal nicht so viel Wohlstand und kauft euch mal kein Auto. Natürlich ist das bigott manchmal und ein bisschen unglaubwürdig. Aber letztlich bleibt uns global gar nichts anderes übrig, als so eine Art von Revolution zu versuchen. Ich befürchte nur, sie wird nicht kommen. Was kommen wird, sind minimale Veränderungen und gleichzeitig eine Zunahme der Temperatur, die manche Regionen der Welt schlichtweg unbewohnbar machen wird. Und es wird dann schlimme Verteilungskämpfe geben. Menschen, die sich Räume mit Klimaanlagen leisten können und darin verharren und andere, die draußen irgendwie überleben müssen. Das klingt jetzt ein bisschen arg dystopisch, wenn wir da nicht gegensteuern.

Max Uthoff

TVinfo: Menschen werden häufig erst dann aktiv, wenn irgendwas ganz schlimm geworden ist oder ein Skandal aufgetreten ist. Ist es denn noch nicht schlimm genug?

Max Uthoff: Der Skandal findet im Ahrtal oder anderswo statt. Auch in Bayern hast du eine Überflutung von Gegenden und die Häuser werden weggeschwemmt. Im Ahrtal sind viele gestorben, und im Hochwasser dieses Jahr sterben wieder Menschen. Drei Wochen später war Europawahl, und die Leute wählen FDP, AfD, Union, also Parteien, die sich bewusst und ganz offen gegen den Klimaschutz stellen, die sagen, wir wollen eine Rücknahme des Verbots des Verbrennungsmotors. Wir wollen Klimaschutz, aber ganz langsam und ganz, ganz vorsichtig. Und im Grunde wollen sie ihn gar nicht. Das ist ja letztlich eine Form von Klimaleugnung. Klimaleugnung 2.0 ist ja nichts anderes als die Klimaverzögerungstaktik der FDP und auch der Union, auch von Friedrich Merz. Der Skandal ist das Naturereignis. Und irgendwann gewöhnt man sich an alle Skandale. Dann guckt man einfach zu, wo es dieses Jahr Überschwemmungen gibt und wo es dieses Jahr Rekordtemperaturen gibt. Das ist ein bisschen wie bei dem berühmten Frosch, der im Wasser sitzt, das immer heißer wird.

TVinfo: Winston Churchill hat empfohlen, keine Krise politisch ungenutzt verstreichen zu lassen. Sind wir gerade politisch nicht geschickt genug?

Max Uthoff: Die Beharrungskräfte sind zu stark. Die, die progressiv denken und eine radikale Veränderung wollen, sind zu schwach. Weil die, die an der Macht sind und die ökonomisch das Sagen haben, zu viel Geld und zu viel Einfluss haben. Sie wollen ihr Geschäftsprinzip so lange wie möglich rausziehen. Eigentlich müsstest du Dinge sofort tun, wissend, dass die Folgen dessen, was du tust, erst in 20, 30 Jahren positive Ergebnisse bringen. Das ist dem Politiker aber schwer klar zu machen, weil der Politiker nur die nächsten vier Jahre, die nächste Wiederwahl am Kopf hat. Es gibt, glaube ich, ganz, ganz wenige, die einfach sagen: Es ist mir egal, ob ich wiedergewählt werde, wir müssen jetzt was tun, damit in 15, 20 Jahren die Kinder eine bessere Gesellschaft vorfinden. Und ich befürchte, da schlägt das Karrieredenken und auch das Festhalten an den eigenen Pfründen durch. Und irgendwann kannst du auch zugeben, dass bei den Grünen sämtlicher Einsatz für Klimaschutz zur Travestie wird.

TVinfo: Krisen haben wir gerade doch reichlich. Also wenn nicht jetzt, wann dann?

Max Uthoff: Ja, aber wir hatten immer Krisen. Das Unangenehme ist, dass diese Krise des Klimawandels jetzt eine so existenzielle ist. Das ist ja anders. Als ich jung war, war die größte Bedrohung der Kalte Krieg, und da ist Gott sei Dank nichts passiert. Da stand ja auch die Auslöschung an. Als man auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung zwischen Ost und West damit gerechnet hat, dass es irgendwann atomar zu einer Auslöschung kommt. Das war halt noch selbstregulierend. Politiker konnten durch Handeln, durch Shakehands oder durch den Zusammenbruch eines politischen Systems das Problem lösen. Das ist aber beim Klimawandel nicht möglich, wenn wir dieses komplette System nicht infrage stellen und vom Gedanken des Wachstums wegkommen. Da wird es kein Shakehands geben und das wird auch nicht einfach irgendwie aufhören, sondern es wird einfach so Stück für Stück weitergehen. Krisen haben wir immer. Wir beide sind mit dem Nahostkonflikt geboren und wir werden sterben, und der Nahostkonflikt wird wahrscheinlich immer noch nicht beendet sein. Also es gibt immer wieder Krisenherde, dauerhafte, immer neue. Es gibt wahnsinnig viele Kriege in den letzten Jahren. Also insofern Resilienz ist wirklich was, was ich den meisten Kindern und Jugendlichen nur wünschen kann. Ich befürchte nur, dass unsere Erziehung und unsere Gesellschaft nicht wirklich darauf ausgerichtet sind, Kinder zu glücklichen, selbstbewussten Menschen zu machen, die dann auch möglichst viel Resilienz haben in der Krise.

TVinfo: Du hast gerade das Ende des Kalten Krieges angesprochen Hat dich die Wiederkehr des Ost-West-Konflikts überrascht?

Max Uthoff: Ich war wirklich überrascht von diesem Ukrainekrieg. Das hat mich schockiert. Ich hatte tatsächlich Putin für gelassener gehalten. Weil ich dachte, dass der so klug ist und so diplomatisch und so gelassen, dass er manche Dinge einfach erträgt. Und souverän genug ist, sich nicht davon provozieren zu lassen. Und jetzt musste man doch feststellen, was da für ein kleines, verletztes Ego am Werk ist. Ja, machen wir es ein bisschen pauschal, machen wir uns nichts vor. Ich glaube, das größte Problem auf dieser Welt sind Männer mit Waffen. Ja, und wenn du dir anschaust, wo es brennt und brutzelt und zur Sache geht, dann sind das immer irgendwelche Männer, die sich in ihrem Stolz und ihrem Ehrgefühl, in ihrem Nationalitätsdenken oder so gekränkt fühlen. Es ist sehr, sehr unangenehm. Ich glaube, dass wir überhaupt nur weiterkommen, wenn wir mal ein weltweites Verbot der Ausübung von Politik von Männern machen. Am besten auch in der Wirtschaft. Einfach mal Männer 30 Jahre lang Tee kochen lassen, und die Frauen sollen das mal regeln.

TVinfo: Wird uns jetzt vielleicht die künstliche Intelligenz retten?

Max Uthoff: Das ist auch eine Entwicklung, die nicht wirklich schön ist, finde ich. Liegt auch übrigens in dem Fehlschluss, den wir haben, dass Fortschritt immer gut ist. Also dass der Gedanke, dass alles, was neu entwickelt wird, automatisch gut ist, weil es ist ja neu, es ist eine Weiterentwicklung von etwas. Die Fragen „Wollen wir das? Brauchen wir das? Ist das nötig?“ werden nicht mehr gestellt. Die gilt auch als rückständig, du bist ja hoffnungslos veraltet, wenn du einfach die Frage stellst: Was will eine Gesellschaft?

TVinfo: Sollten wir nicht netter zu den Silicon Valley Techfirmen sein, damit sie den Wettbewerb gegen globale Firmen aus anderen, vielleicht weniger demokratischen politischen Systemen gewinnen?

Max Uthoff: Ja, wir hätten Elon Musk viel Kuchen schicken sollen.

TVinfo: Mark Zuckerberg und Jeff Bezos haben mit ihren Yachten im europäischen Mittelmeer geurlaubt. Wäre das nicht auch eine Gelegenheit, um einmal Dankbarkeit zum Ausdruck zu bringen?

Max Uthoff: Meine Form von Dankbarkeit besteht natürlich darin, dass ich mit meiner noch viel größeren Yacht demnächst bei beiden vorbeifahren werde. Und sie werden sich schämen. Sie werden sich schämen, weil ihre Yacht verglichen mit meiner ein kümmerliches kleines Rettungsbötchen ist. Und das wird sie fertig machen. Ich glaube, anders verstehen sie es nicht. Ich glaube, das funktioniert nur über die Klugheit von Frauen. Wenn die Frauen oder Lebensgefährtinnen von Mark Zuckerberg oder Jeff Bezos sagen: Du, Freundchen, wir haben noch eine schöne Zeit. Was willst du mit dem scheiß Riesenteil? Ist das dein Ernst? Da verliere ich mich ja drauf. Wir müssen uns zusammenrufen, wenn wir an beiden Enden der Yacht stehen. Was soll das? Es wird zumindest keine ökonomischen Einsichten geben. Weil es ja nur noch darum geht, wer mehr Milliarden hat als der andere.

TVinfo: Und wenn der weibliche Einfluss nicht kommt?

Max Uthoff: Und um es mal ganz, ganz direkt zu sagen: Letztlich ist das auch ein Zeichen für die Unfähigkeit dieses Kapitalismus und des politischen Systems, dass wir keine Regierung haben, die zum Beispiel einfach sagt: Wisst ihr was? In der Werftindustrie, die solche Yachten baut, gibt es 20.000 Arbeitsplätze. Mögen es mehr sein, mögen es weniger sein. Für euch finden wir alle einen guten Job und wir sperren eure Werft jetzt ab. Die Produktion dieser Riesenyachten bringt niemandem etwas außer Sozialprestige für Leute, die definitiv Probleme haben und einen guten Therapeuten aufsuchen sollten. Und wir legen jetzt fest, es wird keine Luxusyacht mehr in unserem Land gebaut. Es ist so grotesk, wir sind ja dauernd mit Verboten konfrontiert: im Straßenverkehr, im Strafgesetzbuch. Wir wissen, dass es Dinge gibt, die man nicht tun darf, und deswegen tun wir sie in der Regel auch nicht. Und trotzdem: Wenn es so etwas wie Tempolimit gibt oder irgendeine Maßnahme im Sinne des Klimaschutzes angedacht wird, dann geraten die Beharrungskräfte in Wallung und denken sich die größten Argumente aus und präsentieren Scheinlösungen, um nur ja keinen Verzicht oder Einschränkungen zu haben. Aber machen wir uns mal nichts vor: Luxusyachten wäre doch ein wahnsinnig guter Bereich, um zu sagen: Weltweit verbieten wir die ab morgen, die Produktion jeder Luxusyacht. Die werden alle zurückgebaut und die Materialien für was anderes verwendet. Es gibt auch keine Entschädigung, weil die Leute, die sich sowas leisten können, keine Entschädigung brauchen. Und dann? So eine Aktion ist ja völlig opferfrei. Wenn du noch dafür sorgst, dass die Leute, die es zusammengeschraubt haben, irgendwas anderes zu tun haben. Das ist grotesk. Letztlich muss man wahrscheinlich noch radikaler denken und die Dinger versenken.

TVinfo: Max Uthoff, danke für das Gespräch!

Das Gespräch führte Markus Pins am 04.07.2024 in Düsseldorf.

Fotos: Rolf Purpar

Neu:

Max Uthoff präsentiert am 15.11.2024 zusammen mit dem Kom(m)ödchen sein aktuelles Programm „Alles im Wunderland“ im Robert-Schumann-Saal in Düsseldorf.

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