TVinfo: Was ist bei einem technischen Produkt wichtiger? Dass es schön ist oder dass es einfach ist?
Ralph Caspers: Einfachheit ist schön. Es gibt eine Schnittmenge zwischen Kunst und Technik. Technik ist ja im Grunde erst einmal wie das Werkzeug, mit dem man Sachen machen kann. Und mir geht es so: Wenn die Werkzeuge schön sind, wenn ich einen schönen Stift habe oder einen tollen Aquarell-Kasten oder einen hübschen Computer, dann setze ich mich viel lieber dran und mach was damit. Weil es einfach Spaß macht, die Sachen in die Hand zu nehmen und etwas Neues damit zu machen.
TVinfo: Was ist Ihr schönstes Werkzeug?
Ralph Caspers: Es gibt Notizbücher, die nennen sich Resketch. Die Idee dahinter ist: Es gibt so viel Papier, was hergestellt worden ist, was einmal benutzt wurde und dann weggeschmissen wird. Aber man könnte es noch mal benutzen. Man könnte viele Sachen daraus machen. Und der Typ, der diese Bücher macht, hat von überall her altes Papier eingesammelt. Das ist manchmal unbedruckt, manchmal ist es bedruckt, manchmal sind es Broschüren, manchmal sind es Baupläne oder Zeichenpläne, manchmal ist es einfach nur Briefpapier, was weggeworfen worden ist. Er hat die Papiere alle zusammengepackt und macht daraus Zeichenbücher, also Notizbücher zum Zeichnen. Das Tolle ist: Du hast ganz viele unterschiedliche Papiere in diesem Buch. Es macht einfach Spaß, das aufzuschlagen und zu gucken: Was bringt denn so die nächste Seite? Und dann damit etwas zu machen. Wenn man dann noch Stifte hat, die einfach schön über das Papier gleiten, dann fängt man wie von alleine an, einfach herum zu kritzeln oder zu zeichnen.
TVinfo: Fasziniert uns an Technik ihre Schönheit oder ihre Leistungsfähigkeit?
Ralph Caspers: Ich glaube, es kommt darauf an, wen man fragt. Jemand bei der NSA wird wahrscheinlich sagen: die Leistungsfähigkeit. Dass ich Milliarden von Datensätzen in zwei Sekunden durchsuchen kann. Oder dass ich Passwörter per Brute Force relativ schnell knacken kann. Auch das ist Leistungsfähigkeit. Aber eigentlich fasziniert uns doch so die Eleganz. Elegant ist, wenn Du ein Problem hast, und Du schreibst einen Algorithmus dafür, der dieses Problem lösen kann. Der aber so kurz ist und so elegant geschrieben, dass man da fast so gerne draufguckt wie auf ein Bild oder eine Zeichnung. Das ist auch schon toll…Worüber man sich auch selber freut, wenn man das geschafft hat. Wenn man denkt: Das ist eine runde Sache.
TVinfo: Hält uns die Faszination für Technik davon ab, ihre Risiken sehen?
Ralph Caspers: Ich glaube, dass man diese Risiken nur dann einschätzen kann, wenn man auch versteht, um was es geht. Wenn man das Gefühl hat, dass mich das nicht betrifft, oder wenn mir das alles egal ist oder wenn das Bewusstsein nicht da ist, was das alles im Großen und Ganzen bedeutet, dann ist das die eigentliche Gefahr. Es hat also weniger mit der Faszination zu tun als mit dem Unverständnis, was Technik für eine Bedeutung haben kann.
TVinfo: Verstehen also Kinder, die sehr früh ihr eigenes Tablet oder ihr eigenes Smartphone haben, die Gefahren besser?
Ralph Caspers: Keine Ahnung… In jedem Fall haben sie weniger Angst, damit umzugehen oder etwas kaputt zu machen. Aber ob ihnen dadurch die Gefahren bewusster werden...
TVinfo: Die Sendung mit der Maus führt Kinder mit der Maus-App offensiv an Smartphones heran. Warum?
Ralph Caspers: Den Redakteuren und auch dem Sender ist klar, dass Fernsehen nur einer von vielen Kanälen ist, auf dem man die Maus empfangen kann. Dass viele Leute sich nicht mehr zu bestimmten Uhrzeiten vor den Kasten setzen wollen, sondern mehr oder weniger selbst bestimmen wollen, wann sie sich mit einer Sendung beschäftigen.
TVinfo: Warum gibt es in der Maus App keine Datenbank, in der ich nach allen Sachgeschichten suchen kann, die jemals in der Maus gelaufen sind? Die ich z.B. fragen kann, wie mein Staubsauger funktioniert?
Ralph Caspers: Geld. Das ist eine Geldfrage. Es ist einfach teuer, so etwas zu programmieren. Die Listen kann man nicht einfach so umstricken, dass daraus eine gute bedienbare App wird. Wenn man so etwas machen will, müssen auch die jüngeren Zuschauer damit umgehen können – oder auch die Eltern. Die haben ja meistens noch mehr Schwierigkeiten als ihre Kinder. Und so etwas zu programmieren kostet Zeit und Geld.
TVinfo: Eine Crowdfunding-Initiative für eine Maus App, die alle Sachgeschichten enthält, wäre sicher schnell vollfinanziert...
Ralph Caspers: Der WDR ist ein großer Tanker. Selbst wenn es die Ideen gibt und auch der Wille da ist, ist es ganz schwierig etwas durchzusetzen, was einen unorthodoxeren Weg darstellt.
TVinfo: Vielleicht könnte man ja auch orthodoxe Finanzmittel umlenken. Eine Sportübertragung reicht locker für viele Maus Apps...
Ralph Caspers: Das glaube ich auch. Da bin ich sofort dabei. Das Geld, das für Fußball ausgegeben wird, ist zu viel. Vor allem, wenn man sieht, was für ein korrupter Haufen das ist. Ich denke, das muss sich ändern. Das hat man bei der Tour de France auch teilweise so gemacht. Als dann klar wurde, dass die ganzen Sieger allesamt gedopt waren, hat sich die ARD auch relativ vornehm von der Tour de France zurückgezogen – zumindest für eine gewisse Zeit. Und das finde ich auch richtig.
TVinfo: Wäre es eine Idee, wenn man dem Fußball mitteilt, dass er es vielleicht einmal ein Jahr ohne öffentlich-rechtliche Fernsehgelder versucht?
Ralph Caspers: Das wäre toll, das würde ich sofort unterstützen. Es gibt ja viele Fußballfans – auch im Sender. Und das ist auch ok. Aber das Verhältnis stimmt einfach nicht mehr. Was da an Geld ausgegeben wird… Wenn man einmal die Berichterstattung eines Bundesligaspieltages – oder zwei – ausfallen lassen würde und das Geld woanders reinsteckt, sind viele andere tolle Sachen möglich. Z.B. eine durchsuchbare Maus App. Auch Fußballfans gucken ja die Maus. Die bleiben dann ja nicht total auf dem Trockenen.
TVinfo: Mal sehen, wie mutig der öffentlich-rechtliche Rundfunk in dieser Angelegenheit ist… Gibt es etwas, was sich nur das Privatfernsehen traut?
Ralph Caspers: Werbung und Kinderfernsehen kann man nur bei den Privaten machen. Das geht beim Öffentlich-Rechtlichen nicht. Und das finde ich auch gut, dass das nicht geht.
TVinfo: Sie wagen in Ihren Sendungen häufig Selbstversuche. Gäbe es dafür selbst im Dienste der Wissenschaft eine Grenze, z.B. dort, womit Joko und Klaas unterwegs sind?
Ralph Caspers: Alles, was die gemacht haben, würde ich nicht machen. Angefangen vom Baden im Ganges bis hin zu mir den Mund zunähen zu lassen. Das ist ganz schön bescheuert eigentlich.
TVinfo: Im Gegensatz dazu haben Joko und Klaas politisch sehr deutlich Stellung bezogen, indem sie gegen Intoleranz gewettert und Flüchtlinge willkommen geheißen haben. A propos Flüchtlinge: Die Sendung mit der Maus begleitet seit kurzem eine syrische Flüchtlingsfamilie, die in Deutschland angekommen ist. Wie waren die Reaktionen darauf?
Ralph Caspers: Viele Leute sagen: Das ist ganz toll. Aber auch ziemlich viele fragen: Wie könnt Ihr so etwas machen? Da merkt man, wie viele Leute es gibt, die kein besonders offenes Weltbild haben. Das hab ich selbst auch einmal gemerkt, als wir für die Maus in der Türkei waren. Es gab in dieser Sondermaus eine Szene, in der wir eine Moschee besucht haben und etwas über den Islam erzählt haben. Und darüber, dass die Bibel auch im Islam ein heiliges Buch ist und Jesus im Islam kein Unbekannter ist und verehrt wird. Dass Mohammed der Prophet ist, auf den es ankommt. Aber das es eigentlich ein und derselbe Gott ist, nur eben gibt es da verschiedene Ausprägungen. Da haben wir ziemlich viele böse Briefe bekommen.
TVinfo: Zum Abschluss unseres Interviews noch traditionell zusammenhanglose Vervollständigungssätze...
TVinfo: „Von meinen Reisen mit der Maus hat mir die Reise nach … am besten gefallen, weil...“
Ralph Caspers: Mir hat die Reise nach Island am besten gefallen, weil es kalt war und dunkel und trotzdem total nett. Und ich hab mich da wohl gefühlt. Aus welchen Gründen auch immer.
TVinfo: „Die Frage, warum das Universum existiert...“
Ralph Caspers: ...ist eine sinnlose Frage.
TVinfo: „Geeks sind so sexy, weil...“
Ralph Caspers: ... sie Brille tragen. Dann hat man selbst, wenn man nackt ist, noch etwas Angezogenes. Und wenn man das dann auszieht...
TVinfo: Herr Caspers, wir danken Ihnen für das Gespräch!
Das Gespräch führte Markus Pins am 27.02.2015 in Köln.