Interview Tahnee – „Da wird das Private auch politisch und da positioniere ich mich gerne.“

Tahnee parodiert mit großer Lust und guter Laune, zeigt aber auch Haltung und positioniert sich zu aktuellen Themen – auf der Bühne und privat. Bei TVinfo berichtet sie, dass sie verschiedene Organisationen unterstützt und warum gerade der Verein TARGET e.V. mehr öffentliche Aufmerksamkeit erhalten sollte …

Tahnee

TVinfo: Wie lange halten Sie durch, etwas Wichtiges in Ihrer eigenen Stimme zu sagen? Und nach wie vielen Minuten wechseln Sie durchschnittlich zu Ihren faszinierenden Stimmenimitationen oder Parodien?

Tahnee: Das ist aber eine schöne Frage! Das ist tatsächlich unterschiedlich, also, je nach Thema bietet sich das mal an und dann verfalle ich auch sofort in eine andere Rolle. Das ist über die Zeit aber auch weniger geworden im Privaten, weil ich das natürlich alles auf der Bühne rauslassen kann und die Parodien dort gezielt einsetze. Aber privat kommt es immernoch häufig genug vor, sodass meine Frau sagt, dass sie eigentlich in einer WG mit 30 verschiedenen Menschen lebt.

TVinfo: Wo wir gerade bei etwas Wichtigem sind: Was ist Ihnen besonders wichtig, auf der Bühne zu sagen oder rüber zu bringen?

Tahnee: In erster Linie geht es mir darum, dass die Leute einen tollen Abend haben, mal abschalten können und wirklich befreit lachen. Gerade in den letzten Jahren habe ich das Gefühl, dass sich die Weltlage immer weiter zuspitzt und da finde ich es wichtig, die Leute mal aus der Situation rauszuholen und einen sorgenfreien Abend zu haben. Nichtsdestotrotz versuche ich, wichtige Themen anzusprechen. Dinge, die mir auffallen und mich da klar zu positionieren. Dabei gibt es keine Themen die ich vorab festlege, wenn ich an einem Programm arbeite. Wenn ich einem Thema begegne und ich das Gefühl habe, das eignet sich für die Bühne, dann mache ich das. Dabei ist natürlich wichtig, dass die Leute über den Witz erstmal lachen können, aber ich mag es, wenn dann langsam durchsickert, dass es bei der Nummer noch eine zweite Ebene gibt.

TVinfo: Seit Beginn Ihrer beeindruckenden Karriere thematisieren Sie privates Liebesglück. Warum? Und ist das Private bei Ihnen politisch?

Tahnee: Wenn Sie mit privatem Liebesglück auch meinen, dass ich auf das Thema Queer-sein auf der Bühne eingehe, dann definitiv. Das ist ein wichtiges Haltungsthema und da wird das Private auch politisch und da positioniere ich mich gerne. Das hat mich am Anfang viel Überwindung gekostet. Aber das hat sich für mich als absolut richtiger Schritt erwiesen. Comedy bedeutet auch Authentizität und die kann ich nur geben, wenn ich auch authentisch von privaten Dingen erzähle. Wenn es dann um ein, zwei Beziehungsthemen geht, geht‘s aber eher um lustige Situationen oder Dinge, die sich für Comedy eignen und das suche ich entsprechend aus.

TVinfo: Ihr männlicher Interviewvorgänger bei TVinfo hat gefordert, dass Männer einmal komplett zurücktreten und für 30 Jahre die Frauen machen lassen. Wie stehen Sie zu dem Vorschlag?

Tahnee: Ja gerne, let‘s do it und lass mal gucken, was passiert. Also, schlechter wird es glaube ich nicht. (Lacht).

TVinfo: Wo engagieren Sie sich? Unterstützen Sie TARGET noch?

Tahnee: Privat unterstütze ich diverse Organisationen. Wo mir die öffentliche Aufmerksamkeit besonders wichtig ist, ist TARGET.

TVinfo: Was macht TARGET genau?

Tahnee: TARGET e.V. Rüdiger Nehberg ist für mich in erster Linie eine Menschenrechtsorganisation. TARGET kümmert sich zwar auch um Umweltthemen, vor allem geht es aber darum, die weibliche Genitalverstümmelung weltweit zu beenden. Es ist leider immernoch so, dass Millionen Mädchen und Frauen betroffen sind. Dass das immer noch praktiziert wird, hat fatale Folgen für so viele Menschen und da finde ich es einfach großartig, dass TARGET sich diesem Thema verschrieben hat, und das möchte ich unglaublich gerne unterstützen. Neben diesem Thema geht es bei TARGET auch darum, indigene Völker und Urwälder zu schützen und somit ist TARGET in meinen Augen ganzheitlich eine tolle Organisation.

TVinfo: Sie starten gerade Ihre Tour „BLÜTEZEIT“. Worum geht es da?

Tahnee: Der Titel BLÜTEZEIT hat sich geradezu aufgedrängt, weil das gerade das Gefühl ist, in dem ich lebe. Ich bin privat angekommen und das bringe ich eben auch auf die Bühne. Das ist mein persönlichstes Programm, ich gebe private Einblicke und lasse weiterhin viele Parodien einfließen, ein bisschen was Musikalisches gibt es auch. Ich glaube, da ist für jeden was dabei in diesem facettenreichen Programm. Gleichzeitig versuche ich mit BLÜTEZEIT auch zu sagen, dass das Programm eine gute Zeit bereithält. Jeder hat ja auch so seine eigene Blütezeit und die werden wir auf jeden Fall gemeinsam erleben an diesem Abend.

TVinfo: Das Tour-Foto sieht fast wie ein Hochzeitsanzug aus? Die Fotos und Titel Ihrer beiden vorherigen Bühnenprogramme sind ein wenig offensiver. Ist das ein Hinweis auf den Inhalt? Sind Sie ruhiger geworden?

Tahnee: Nee! Also, das kann ich nicht bestätigen! Das ist einfach nur dem fotografischen Einfangen des Titels geschuldet. Das ist die vielleicht einzige Sekunde, während des gesamten Shootings, in der ich mal kurz stillgestanden habe, die wir dann genommen haben. (Lacht) Nein, das Programm ist immernoch bissig und irre - nur halt nicht mehr so düster. In meinen vorherigen Programmen war ich noch mehr im Kampf mit Allem und der Welt. Aber angriffslustig bin ich auch in BLÜTEZEIT.

TVinfo: Auf welche aktuellen Fernsehprojekte dürfen wir uns von Ihnen freuen?

Tahnee: Die zweite Staffel der Quatsch Comedy Show, die ich mit meinem lieben Kollegen Khalid Bounuar moderieren darf, startet ab Mitte Oktober immer mittwochs um 21:25 nach TV Total auf Pro7. Diese bunte Sendung hält ganz viele tolle Künstler:innen bereit, es gibt lustige Einspieler und im Prinzip ist das die Fortführung des Kultformats Quatsch Comedy Club von und mit Thomas Herrmanns. Es wird schön! Andere Projekte werden auch kommen, aber sind aktuell nicht spruchreif.

TVinfo: Wie sehen Sie die Zukunft des Fernsehens?

Tahnee: Jetzt natürlich wieder glorreich, seit Stefan Raab zurück ist, Zwinker Zwinker. (Lacht). Fernsehen ist natürlich ein Medium, wo wir wissen, dass das nicht jünger wird. Dass sich Menschen - und da gehöre ich auch zu - in die Streamingportale zieht. Das was wir von früher kennen, das „ach ich gucke mal was läuft und zappe mich durch“, das gibt es gar nicht mehr. Und wenn, dann läuft selten etwas, wo ich hängen bleibe. Die Vielzahl an großen Samstagabendshows oder wöchentlichen tollen Shows, die gibt es nicht mehr. Da sind nur ein paar Flaggschiffe, die noch da sind. Ansonsten verschiebt sich das in die Streamingportale und Mediatheken der jeweiligen Sender. Ich denke, dass das in den nächsten Jahren immer mehr wird und dort dann eben die Zukunft liegt. Aber da die Gesellschaft immer älter wird, brauchen sich zumindest ARD, ZDF und die Dritten wohl keine Sorgen machen. (Lacht)

TVinfo: Sie füllen die größten öffentlich-rechtlichen Comedy-Arenen (XXL Nacht) und sind in den kleinen, fast kammerspielartigen Streaming-Olymp (LOL) aufgestiegen. Das ist eine beeindruckende Bandbreite… Wo fühlen Sie sich wohler?

Tahnee: Der Mix und die Abwechslung machen es am Ende aus. Da bin ich auch sehr dankbar, dass das in meinem Beruf so möglich ist und ich mich ausprobieren und ausleben darf. Natürlich bleibt am Ende des Tages die Bühne mein Zuhause und es gibt kein schöneres Geschenk, als an einem Abend auf der Bühne zu stehen und so viele Leute zum Lachen zu bringen und einen tollen Abend zu bescheren. Das ist einfach nicht vergleichbar.

TVinfo: Und wo können Sie besser die Themen positionieren, die Ihnen wichtig sind?

Tahnee: Das auch natürlich live! Das ist der Abend, wo ich 100% ich selbst sein kann, komplett frei in meinen Inhalten bin und da einmal alles genau so rauslassen kann, wie ich es denke und fühle.

TVinfo: Abgesehen von der Bühne, gibt es einen Unterschied zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Formaten?

Tahnee: Wenn es um Stand-Up geht, natürlich schon. Bei einem Format auf einem privaten Sender macht ein Hardcore-Politthema nicht so viel Sinn wie bei den Öffentlich-Rechtlichen. Als Beispiel „Die Anstalt“, bei der das Sendungsprofil schon etwas ganz anderes vorgibt als eine Entertainment Mix-Show. Da schaue ich als Comedian also schon, was ist die Zielgruppe, was gucken und erwarten sie auf diesem Sender und dementsprechend wähle ich dann meinen Stand-Up aus. Das machen, denke ich, auch alle meine Kollegen so. Was ganz anderes sind dann nochmal Entertainment Formate wie eine Quizshow, da kann man zwar seine Gags setzen, aber keine wichtigen Themen. Das wäre deplatziert.

Tahnee

TVinfo: Zum Abschluss in guter Tradition noch drei TVinfo-Vervollständigungssätze: Wenn mir auf der Bühne etwas zu Privates rausrutscht, …

Tahnee: …das gibt es eigentlich gar nicht. Also wenn, dann bin das nicht ich, sondern Claudia Obert!

TVinfo: Falls ich wiedergeboren werde, dann …

Tahnee: …nicht auf diesem Planeten. Den habe ich ja gesehen, deshalb gerne woanders.

TVinfo: Für die nächsten Wahlen wünsche ich mir, dass …

Tahnee: …Blau aus dem Spektrum verschwindet.

TVinfo: Vielen Dank für das Gespräch!

Das Gespräch führte Markus Pins im September 2024.

Fotos: Johannes Graser (Interview) / Guido Schröder (Startseite)

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